Von Murièle Weber (FRAME)
Die seelenlose Plattenbausiedlung mit Sowjet-Chic liegt irgendwo im polnischen Hinterland. Hier kreuzen sich die Wege von Frauen, die in den vier Episoden dieses Dramas auftreten. Es ist das Jahr 1990. Das Land öffnet sich langsam. Erste deutsche Touristen kommen zur Kur. Es gibt Jeans und Kaugummi zu kaufen, und die Russischlehrerin an der Schule wird durch eine Englischlehrerin ersetzt. Aber bis in den Intimbereich der Familie dringen diese sozialen Veränderungen und die Aufbruchstimmung noch nicht vor. Und so steckt die verheiratete Agata in der Vorhölle einer unerwiderten Liebe zu ihrem Priester fest. Schuldirektorin Iza hingegen führt seit Jahren eine Beziehung zu einem verheirateten Arzt. Die Lehrerin Renata sucht mehr als freundschaftliche Nähe zu Marzena, die wiederum von einer Karriere als Model im Westen träumt. Da Tomasz Wasilewskis Vater wie viele andere Männer einige Jahre im Ausland gearbeitet hat, ist der Regisseur vor allem mit Frauen aufgewachsen, wie er an der Pressekonferenz an der Berlinale erzählte. Das merkt man dem Film auch an: Er ist wie der Blick eines neugierigen Knaben auf die unverständliche Welt der Erwachsenen. Wasilewski mag Frauen, fühlt sich ihnen verbunden, versteht sie und ihre Welt und will ihren Schmerz und ihre stille Verzweiflung zeigen. Aber leider setzt er, wie schon in seinem zweiten Spielfilm, «Floating Skyscrapers» (2013), auf viel zu viele Klischees. Die ehemalige Schönheitskönigin wird prompt vom Fotografen vergewaltigt, die Lehrerin lebt als alte Jungfer in ihrer Wohnung zusammen mit, nein, nicht Katzen, sondern 20 Vögeln. Es ist deshalb nicht ganz verständlich, wie der Film an der diesjährigen Berlinale zu einem Silbernen Bären gekommen ist.