Die Band Animal Collective suchte für ihre neue CD «Painting With» archaische Klänge und schuf eine App, mit der man ihre Musik auch malen kann.
Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)
Wer als Indie-Musiker ernst genommen werden will, muss Anekdoten bieten. Die Band Animal Collective liess Dinosaurier an die Wände der EastWest Studios in Los Angeles projizieren, während sie im Kerzenschein auf einem Kinderplanschbecken aus Plastic herumtrommelte. Die Musik sollte rudimentär, aggressiv und stampfend klingen.
Zuvor hörten sich die fünf Experimentalmusiker aus Baltimore alte Ramones-Songs und frühe Techno-Werke an. Das fertige Album klingt in ihren Ohren wie ein «elektronischer Trommelkreis», wie es Geologist (mit bürgerlichen Namen Brian Weitz) in einem Interview ausdrückte. Ein Punk-Album ist das Werk dennoch nicht. Man hört den Songs nicht an, woher sie ihre Inspiration nehmen.
Diese Musik klingt so getrieben und gehetzt, als käme sie aus dem Mixer. Lässt man sich auf sie ein, ist man nach vierzig Minuten beinahe ausser Atem. Nur unbedingte Hingabe kann einen vor Überforderung schützen. Der dichte Klangteppich, den die sich überlappenden Gesangsstimmen von Avey Tare (David Portner) und Panda Bear (Noah Lennox) begleiten, erinnert an den Informations-Overkill, dem wir täglich ausgesetzt sind, und er schützt zugleich auch davor: Multitasking kann man bei dieser Musik vergessen.
Fans des Mainstreams werden sich darüber freuen, dass das neue Album «Painting With» an die heitere Grundstimmung der vorletzten CD «Merriweather Post Pavilion» (2009) erinnert, mit dem Animal Collective ihren grössten Erfolg feierten. Das lüpfige Eröffnungsstück «FloriDada» fährt einem besonders in die Ohren. Avey Tare ist zwar nicht gerade bekannt für politische Statements, die Hymne auf den Sonnenstaat schrieb er aber als Reaktion auf die Radiosendung «Dumme Dinge, die Menschen in Florida gerade tun». Diese ist für ihn ein Sinnbild für das zerbröckelnde Zusammengehörigkeitsgefühl der Amerikaner. Dem wollte er entgegenwirken.
Zum Album gibt es auch eine App, mit der man die Musik auf dem Touchscreen visuell darstellen kann. Das ist wie damals mit den Fingerfarben im Kindergarten und bereitet eine kindliche Freude. Selbst das Aufhängen des Kunstwerks am Kühlschrank der Familie hat sein digitales Pendant auf Twitter gefunden. Die Band war schon in der Vergangenheit daran interessiert, Bilder für ihre Musik zu schaffen: zum Beispiel mit dem psychedelischen Film «ODDSAC» (2010) oder ihrer Performance «Transverse Temporal Gyrus» (2012) im Guggenheim-Museum in New York. Mit der App haben die Musiker sich nun den Wunsch erfüllt, ihre Fans an diesem Entstehungsprozess teilhaben zu lassen. So geht Höhlenmalerei im 21. Jahrhundert.