Im Hinterland

The Lumineers: Cleopatra. Decca.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Vier Jahre haben sich die Lumineers Zeit gelassen für ihr zweites Album. Noch mehr als auf ihrem Debüt besingen die drei aus Denver mit eingängigem Folk die Americana. Dabei fehlen Höhepunkte wie die stampfende Hymne «Hey Ho» ihres ersten Albums. Dafür erzählt die Band zerbrechliche Alltagsgeschichten: von einem alten Mann im Spital in «Long Way from Home», dessen Spitalkittel immer zu kurz ist, und einem Paar, das in «Sleep on the Floor» nachts heimlich aus der erdrückenden Kleinstadtidylle flieht. Oder sie besingen in «Cleopatra» eine Taxifahrerin, Zigarette im Mundwinkel und eine Dose Bier zwischen die Schenkel geklemmt, die ihr ganzes Leben Pech hatte: «Ich kam immer zu spät, nur zu meinem Tod werde ich pünktlich sein.» Mit dem Album schreibt die Band keine Musikgeschichte, aber sie setzt den Menschen des amerikanischen Hinterlandes ein berührendes Denkmal, wie so viele vor ihnen. Ganz im Stile der Folklegende Woody Guthrie oder des literarischen Übervaters John Steinbeck. Leider ist eines ihrer beliebtesten Live-Stücke, «Falling in Love», auch auf dem neuesten Album nicht zu finden. Aber vielleicht würde eine Aufnahme dem Stück die Magie rauben. So existiert es nur in Form von Youtube-Videos von Sommerkonzerten, genauso wie eine flüchtige Sommerliebe. 

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