Wo es weh tut

Anohni: Hopelessness. Rough Trade.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Die britische Sängerin Anohni war lange unter ihrem Geburtsnamen Antony Hegarty und als Sängerin der Band Antony and the Johnsons bekannt. Ihre Spezialität sind wehmütige Liebeserklärungen. Diese zerren manchmal so sehr am Herzen, dass man wie auf Messers Schneide zwischen schmerzhafter Glückseligkeit und ekstatischem Seelenschmerz balanciert. Mit dem Namenswechsel hat sich nicht nur ihr Musikstil verändert, sie äussert sich in ihren Songs nun auch politischer. Wie ihr Projekt «Hercules and Love Affair» ist ihr neues Album der Dance-Musik zuzurechnen. Anohni sagt dazu: «Viele meiner Fans werden damit nichts anfangen können.» Das könnte auch am Inhalt ihrer Songs liegen. Sie prangert an – wütend, enttäuscht und kämpferisch: Obama, die Erderwärmung, die Exekutionen in den USA, den Drohnenkrieg. In «Obama» klingt ihre sonst so fein modulierte Stimme tief und monoton, wenn sie den Präsidenten anklagt, der seine Anhänger enttäuscht habe. Im Song «4 Degrees» nimmt sie sich auch selber als Teil des Problems der Erderwärmung wahr, während sie sanft, dafür umso provokativer singt: «Ich will diese Welt kochen sehen. Ich will sie brennen sehen. Es sind ja nur 4 Grad.» Stimmt, sie klingt anders und ist doch dieselbe. Anohni ist jemand, der starke Gefühle so in Worten auszudrücken vermag, dass sie treffen. Dort, wo es weh tut. 

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