
Rupert Everett stilisiert in seinem Film «The Happy Prince» den Protagonisten Oscar Wilde zu einem Märtyrer der Schwulenbewegung.
Von Murièle Weber (Züritipp)
«Meine Tapete und ich führen ein Duell bis zum Tode. Einer von uns beiden muss gehen», soll Oscar Wilde auf seinem Sterbebett über die hässliche Wandbekleidung im schäbigen Pariser Hotel gesagt haben. Kurze Zeit später, am 30. November 1900, starb er: ausgeschlossen aus der Gesellschaft, verarmt, einsam. Das war das Ergebnis seiner zweijährigen Gefängnisstrafe unter härtesten Bedingungen, zu der der englische Autor («The Importance of Being Earnest») verurteilt wurde, weil er Sex mit Männern hatte.
Rupert Everett, der auch Regie führt und die Hauptrolle spielt, konzentriert sich in seinem Drehbuch auf die drei Jahre nach dem Gefängnis. Die meisten anderen Filme über Wilde fokussieren auf die erfolgreichen Jahre, als er von der Londoner Gesellschaft hofiert wurde, auf die stürmische Liebe zu Lord Alfred Douglas und den folgenden Abstieg. Aber Everett stellt nicht das Genie Wildes in den Mittelpunkt, sondern die Tragik seines Lebens. Er zeigt den Mittvierziger als alten, gebrochenen, kranken Mann, der trotz Armut immer wieder genug Geld findet für ein paar Minuten mit einem jungen Stricher.
Dabei hält sich Everett einerseits an die biografischen Details und verbindet den Abstieg andererseits mit Wildes Kurzgeschichte «The Happy Prince» über eine Statue, die einen Vogel bittet, die Diamanten, die sie als Augen trägt, herauszupicken, um armen Menschen damit zu helfen. Der Katholik Everett macht Wilde so zu einem Märtyrer, der für den Befreiungskampf der Schwulen gelitten hat – einem Schutzheiligen. Das funktioniert leider nur für die Zuschauer, die bereits etwas Vorwissen über Wilde mitbringen; ansonsten wird Wilde hier zu einem erbärmlichen alten Mann, dessen Bedeutung unbegreiflich bleibt.