Schrecken im ewigen Eis

Serie «The Terror». Horrorserie. 10 Folgen à 45 Minuten. Von David Kajganich und Ridley Scott. Mit Ciaran Hinds, Jared Harris, Paul Ready u. a. Amazon Prime. 

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

1845 brachen die britischen Schiffe «Terror» und «Erebus» auf, um die Nordwestpassage in der Arktis zu durchsegeln und so für das Grossreich einen schnelleren Weg nach Asien zu finden. Keiner kehrte je zurück. Mehrere Expeditionen versuchten über 150 Jahre hinweg herauszufinden, was mit den 129 Männern an Bord geschah. Aber bis heute weiss man nur, dass alle umkamen und dass Kannibalismus eine Rolle spielte. Der Amerikaner Dan Simmons nutzte die spärliche Informationslage, um seine eigenen Ideen über das Los der Expedition in einem Roman zu verarbeiten, zu dem auch ein übernatürliches Element gehört.

Die Serie ist eine besonders brutale und blutige Version des politisch unkorrekten Kinderspiels «10 kleine Negerlein», in der der Zuschauer über 10 Folgen zusehen kann, auf welche phantasievolle Art und Weise ein Mann nach dem anderen umkommt. Obwohl die Schiffe in der weiten Arktis segeln, ist die Atmosphäre klaustrophobisch. Der dabei entstehende Schrecken fühlt sich an wie ein langsames Ersticken in der Desorientierung von Weiss und noch mehr Weiss. Die Serie ist so virtuos gefilmt, dass ihre ganze Pracht eigentlich auf die Leinwand gehörte. Als zum Beispiel Sir John Franklin, der Kapitän der Expedition, von einer Kreatur angegriffen wird, sieht man die Attacke aus der Perspektive seiner ihm zu Hilfe eilenden Männer, aus seiner eigenen Sicht und aus einer Art Vogelperspektive, aber nie wird klar, was da eigentlich angreift. Das verstärkt den Horror. Im Endeffekt ist die Serie eine Parabel über das Thema «Mensch gegen Natur», und wer da das letzte, blutige Wort hat, ist klar.

Hölle auf Erden

Serie «The Alienist». Detektivserie. Netflix. 8 Folgen à 50 min. Von Hossein Amini und Eric Roth. Mit Daniel Brühl, Luke Evans und Dakota Fanning. 

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Früher war nicht einfach alles besser. Es gab auch damals die Hölle auf Erden. Dass diese grässliche Vergangenheit überhaupt jemand überlebt hat, erstaunt einen immer wieder, wenn man deutsche Literatur liest oder sich Serien wie «The Alienist» ansieht. Hier leben die Menschen Ende des 19. Jahrhunderts in New York in rattenverseuchten Baracken. Sie haben keine Arbeit, und wenn sie doch einmal etwas Geld auftreiben, verspielen sie es sofort. Die Männer schlagen ihre Frauen und empfinden ihre Kinder nur als lästiges Übel. Der einzige gangbare Ausweg aus diesem Elend ist dann selbstverständlich die Prostitution. Und so gibt es überall in dieser fiktiven Version von New York Kinderbordelle, in denen sich Jungen als Mädchen verkleidet den Männern der oberen Tausend zur Befriedigung anbieten. 

So weit das Klischee. Diese Jungen werden nun aber in einer Jack-the-Ripper-Manier ermordet und ihre kleinen verstümmelten Körper überall in der Stadt kunstvoll in Szene gesetzt. Diese Gewaltexzesse schlagen dem Zuschauer leider auf den Magen. Ansonsten gibt es nicht viel auszusetzen an der Serie. Adaptiert wurde sie nach dem gleichnamigen Roman von Caleb Carr. Das alte New York wurde in Prag gefilmt und sieht faszinierend authentisch aus. Brühl als kalter, deutscher Psychologe, der versucht, den Mörder zu finden, wirkt realistisch, und Fanning als moderne, rauchende Frau, die noch dazu eine Pistole zu bedienen weiss, ist grossartig. Das Drehbuch schwächelt ab und zu in Bezug auf die Plausibilität, aber das Ambiente und die Figuren halten einen bis zum Schluss trotzdem bei der Stange.  

Allein gegen das Böse

«Bosch». Detektivserie. Amazon. 4 Staffeln zu 10 Folgen, je 60 Min. Von Eric Overmyer. Mit Titus Welliver, Jamie Hector, Amy Aquino, Lance Reddick. 

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Ein wortkarger, brütender Polizist, der Probleme hat,sich zu beherrschen, eine ungerechtfertigte Anschuldigung, die wie ein Damoklesschwert über ihm hängt, und eine düstere Stadt, in der das Böse hinter jeder Ecke zu lauern scheint und immer die Schwachen trifft – das sind bekannte Bestandteile des Film noir seit seiner Glanzzeit in den 1940er Jahren. Die Amazon-Serie «Bosch», der Polizist heisst mit vollem Namen tatsächlich Hieronymus Bosch, spielt mit genau diesen Elementen und bringt nicht wirklich etwas Neues ein. Das ist aber auch gar nicht nötig, weil die Noir-Elemente eben immer noch funktionieren, egal ob in den Future-Noir-Versionen von «Blade Runner 2049» oder «Altered Carbon» von Netflix, im Radioformat «Philip Maloney» oder in der Bücherserie «Bosch» von Michael Connelly, die als Vorlage für die Webserie dient. 

Bereits drei grosse Fälle hat Bosch in drei Staffeln zusammen mit seinem Partner gelöst, und ab 13. April macht er sich an seinen vierten. Darin ermittelt Bosch mit seiner neuen Partnerin den Mord an einem Menschenrechtsanwalt, der die Polizei von Los Angeles wegen Brutalität und Foltervorwürfen verklagt hat. Er muss versuchen, den Mörder zu finden, bevor es einen Aufstand in der Stadt gibt. Ausserdem sucht er noch immer nach dem Mörder seiner Mutter. Der Bosch-Darsteller Welliver («Lost», «Deadwood») hat schon viele harte Typen gespielt und passt mit seinem Gesicht, dem man das Leid der Vergangenheit ansieht, perfekt in die Rolle. Auch Jamie Hector und Lance Reddick haben sich bereits in «The Wire» bewiesen. 

Die Musikmogule

Serie «The Defiant Ones». 4 Folgen à 60 Min. Von Allen Hughes. Mit Dr. Dre, Jimmy Iovine, Patti Smith, Bruce Springsteen. Auf Netflix.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Was wird aus zwei jungen Männern aus dem Arbeiterviertel, die miserabel in der Schule sind? Genau, sie werden Musikmogule und hundertfache Millionäre. Die Netflix-Serie «The Defiant Ones» erzählt die klassische vom Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte, und für einmal ist sie sogar in der Realität wahr geworden. Dr. Dre kommt aus Compton, dem Ghetto in Los Angeles, war Mitglied der Rapgruppe N.W.A. und ist Musikproduzent. Jimmy Iovine fing als Putzhilfe in einem Musikstudio an und stieg zum Produzenten von Bruce Springsteen, Patti Smith und U2 auf. Schliesslich aber hatte Iovine genug von den langen Arbeitszeiten im Studio und beschloss, als Studioboss reich zu werden.Mit der Finanzierung von kontroversem Rap über das berühmte Label Death Row Records gelang ihm genau das, und er beförderte die Karrieren von Tupac Shakur, Snoop Dogg und Eminem. Wichtigster Produzent für diese Erfolge war Dr. Dre. Dieser hat die Nase fürs Talent und Iovine fürs Geschäft. Zusammen wurden sie unschlagbar. Die Macher der Dokumentarserie konnten viele berühmte Gesichter vor die Kamera ziehen, und die vier Folgen lassen erahnen, wie viele Leben die beiden verändert haben. Dabei kommt es über weite Strecke zu einer Verklärung der beiden als Götter im Musikolymp. Immerhin wird erwähnt, dass Iovine nicht aus purer Nächstenliebe so viel Macht akkumulierte und auch nicht immer korrekt vorging. Trotzdem nimmt man es der Darstellung ab, dass hier zwei Musiknerds ihre grössten Träume verwirklicht haben und dabei den Künstlern grösstmögliche kreative Freiheiten gelassen haben. Schön ist’s. 

Kontrovers

Gerichtsdrama «The Good Fight». CBS. 13 Folgen à 45 Min., 2017. Von Michelle und Robert King. Mit Christine Baranski, Cush Jumbo, Rose Leslie und Delroy Lindo.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Bereits mit der Vorläufer-Serie «The Good Wife» zeigten die Macher ihr grosses Interesse an politischen Entwicklungen und den Wunsch, mit ihren Geschichten aktuell zu sein. In einer Storyline informierten sie die breite Öffentlichkeit über systematische Polizei-Folter in illegalen Gefängnissen in Chicago oder machten auf die ausufernde Überwachung des amerikanischen Staates aufmerksam. In ihrer Spin-off-Serie steht die weisse Anwältin Diane Lockhart im Zentrum. Nachdem diese wegen der Betrügereien des Vater ihres Patenkindes ihr gesamtes Vermögen verloren hat, muss Diane eine neue Stelle annehmen. Angeworben wird sie von einer afroamerikanischen Anwaltskanzlei. Dort erfahren sie, ihre Patentochter und ihre Assistentin als Weisse das Leben einer Minderheit.

Weil niemand in der Produktion mit dem Sieg von Donald Trump gerechnet hatte, musste die Eröffnungsszene, in der Diane den Sieg von Hillary Clinton feiert, neu gefilmt werden. Das Thema Trump wird dann mehrfach angesprochen, zum Beispiel als bekannt wird, dass einer der afroamerikanischen Anwälte für ihn gestimmt hat, was ihn zum Aussätzigen macht. 

Gerichtsdramen eignen sich gut, um kontroverse Themen zu beleuchten, weil eine Verhandlung dramaturgisch die Möglichkeit bietet, zwei unterschiedliche Meinungen argumentativ aufeinandertreffen zu lassen. So hilft in einer Folge ein Arzt bei einer Operation eines bekannten Terroristen mit. Das führt zur Frage ,ob jemand bereits ein Terrorist ist, wenn er einem Terroristen Hilfe gewährt. Die erste Staffel gibt es zu kaufen, die zweite läuft derzeit in den USA. 

Der Mörder unter uns

Serie

Serie «Retribution». Drama. Netflix. 4 Folgen à 60 Min. Von Harry und Jack Williams. Mit Juliet Stevenson, Gary Lewis u. a.

Retribution. Drama. Netflix. 4 Folgen à 60 Min. Von Harry und Jack Williams. Mit Juliet Stevenson, Gary Lewis u. a.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Während strömenden Regens kommt im nächtlichen schottischen Hochland ein Auto von der Strasse ab. Die herbeigeeilte Familie aus der Nachbarschaft nimmt den verletzten Mann mit auf ihren Hof und will ihn pflegen, bis ein Krankenauto eintrifft. Bald stellt sich jedoch heraus, dass es sich beim Verletzten wahrscheinlich um den Mörder des Sohnes der Familie handelt. Die ebenfalls ermordete Ehefrau des Sohnes ist die Tochter der Nachbarsfamilie, die mitbekommt, wer sich da blutend und verwirrt auf dem Hof befindet. Jetzt stellen sich die beiden Familien die Frage: Was soll mit dem Mörder ihrer Kinder passieren? 

Im Verlaufe der vier Folgen, die von der BBC produziert wurden und nun von Netflix ausgestrahlt werden, kommen allerlei verborgene Geheimnisse der Familienmitglieder ans Licht, und der Verdacht drängt sich auf, dass jemand von ihnen an der Ermordung des Ehepaars beteiligt gewesen sein könnte. 

Die Schöpfer der Serie, die englischen Brüder Harry und Jack Williams, haben bereits so spannende Serien wie «Liar» (2017) über einen Arzt, der im Verdacht steht, ein Vergewaltiger zu sein oder «The Missing» (2014) über ein Ehepaar dessen fünfjähriger Sohn im Urlaub verschwindet, entwickelt und waren an der bitterbösen Satireserie «Fleabag» beteiligt. «Retribution» (Originaltitel «One of Us») spielt mit bekannten Motiven, hat aber unterschiedliche Handlungsstränge und genügend unerwartete Wendungen, um das Publikum zu unterhalten. Ausserdem ist es beeindruckend zu sehen, wie die Macher in vier Folgen eine komplexe Geschichte zu erzählen vermögen. 

Bärte trimmen

Reality Show «Queer Eye». Netflix, 2018. 8 Folgen à 45 min. Von David Collins. Mit Tan France, Karamo Brown, Jonathan Van Ness, Antoni Porowski, Bobby Berk.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Reality-Shows kann man lieben oder hassen, aber man sollte sie nicht im Vorhinein verteufeln. Als 2003 die Vorläufersendung «Queer Eye for the Straight Guy» ausgestrahlt wurde, war das Aufheben gross. Fünf schwule Männer krempelten in jeder Folge das Leben eines hoffnungslosen Hetero um. Sie trimmten ihnen die Bärte, steckten sie in vorteilhafte Kleider und räumten ihre Wohnungen auf. Nach 45 Minuten wurde aus dem Höhlenmensch ein ansehnlicher Schwan, der endlich eine Chance bei Frauen hatte. Etwas zugespitzt war die Prämisse: Schwule Männer helfen Heteros, Frauen flachzulegen. Dann verschwanden sie wieder.

Nun sind die fabelhaften fünf in anderer Besetzung zurück. Und noch immer geht es darum, Bärte zu trimmen und hässliche Hemden zu entsorgen. Während sie früher aber Heteros zum Glück verhalfen, stehen sie nun für sich selber ein. Wie in allen Komödienformaten geht es auch hier um die persönlichen Begegnungen zwischen Menschen, nicht um grössere politische Zusammenhänge. Aber genau darin liegt die Faszination der Show. Da erklärt beispielsweise der schwule Afroamerikaner Karamo einem Klienten, einem weissen Polizisten, wie schwierig es für ihn ist, einen Polizisten und Trump-Wähler zu unterstützen, und was das bei ihm auslöst, worauf sich ein ehrliches Gespräch über Polizeibrutalität entwickelt. Die Serie enthält viele solcher Momente. Natürlich wird sie nicht die Welt ­verändern, aber sie bringt Menschen aus unterschiedlichen Schichten ins Gespräch miteinander. Und mehr kann man von unterhaltsamem Fernsehen nicht erwarten.

Das Leben als Superheld ist hart

Serie «The Tick». 12 Folgen à 30 Min. Von Ben Edlund. Mit Peter Serafinowicz, Griffin Newman, Valorie Curry. Läuft auf Amazon.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Der Tick ist blau und hat Fühler, die Reflexe einer olympiatauglichen Dschungelkatze, ist so stark wie eine ganze Bushaltestelle voller Männer, und das Schicksal spricht direkt zu ihm. Das ist wenig überraschend, denn er ist ein Superheld. Natürlich ist er unverwundbar. Dafür herrscht in seinem Oberstübchen gähnende Leere. Deshalb benötigt er einen Sidekick, und den findet er im unscheinbaren Buchhalter Arthur. Dieser wiederum hat psychische Probleme, weil der Bösewicht Terror seinen Vater getötet hat, als er noch ein Kind war. Eher widerwillig stimmt Arthur zu, mit Tick zusammenzuarbeiten, um es mit der Unterwelt in ihrer Stadt aufzunehmen. 

Der Engländer Christopher Nolan hat das Superhelden-Genre mit seiner Batman-Trilogie düsterer gemacht. An dem kommt auch Tick nicht vorbei. 1986 als Comic von Ben Edlund im Teenageralter erschaffen, wurde die Superhelden-Parodie bereits zweimal in eine Serie verpackt: 1994 in eine animierte und 2001 in einer Realverfilmung. Die Version von 2001 ist absurder und daher lustiger, dafür orientiert sich die Amazon-Serie mehr an der Realität: Die Welt ist hart und brutal, und auch Superhelden sind nur fehlerhafte Menschen. Der Film «Deadpool» hat 2016 dem Mainstreampublikum die Absurdität von Superhelden aufgezeigt, «The Tick» baut diese Einsicht aus. Und so wird Arthur vom intelligenten Schiff Dangerboat, das in ihn verliebt ist, in der Dusche mit einem Wasserstrahl sexuell belästigt oder von Tick in einem Anzug mit Flügeln aus dem Fenster geworfen, um wie ein toter Schmetterling auf dem Dach eines Autos zu landen. 

Unzufrieden im Zürcher Oberland

Serie «Seitentriebe». Drama. 8 Folgen. SRF. Von Güzin Kar. Mit Vera Bommer, Nicola Mastroberardino, Leonardo Nigro, Wanda Wylowa, Sunnyi Melles.

Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)

Eine Beziehung geht nicht Knall auf Fall in die Brüche, sondern schleichend. Routine tötet auch noch die spannendste Romanze, und irgendwann sind es drei Jahre her, seit man das letzte Mal Sex hatte. Nele und Gianni sind Ende Dreissig an diesem Punkt angekommen. Er will der grosse Macker sein, den sie sich wünscht, und scheitert konstant an ihren Ansprüchen. Sie ist frustriert, weil sie es als Künstlerin zu nichts gebracht hat und jetzt Käsehäppchen im Shoppingcenter anpreist. Und da nörgelt es sich leicht am Alten herum.

Bei der Entstehung dieser Geschichte liess sich Güzin Kar von der Frage leiten, warum in einem der reichsten Länder der Welt die Menschen auf die Frage «Bist du glücklich?» meistens antworten «Nicht glücklich, aber zufrieden». Sie interessiert sich für den Nicht-Ort zwischen Komfort und Orientierungslosigkeit und hat die Geschichte deshalb im Zürcher Oberland angesiedelt, das für sie die Seelenlandschaft der Protagonisten widerspiegelt.

Neben Nele und Gianni begegnen wir noch Monika und Heinz mit ihrem pubertierenden Sohn Timo sowie Anton und Clara, die bald pensioniert werden. Nach zwei Folgen lässt sich sagen: Die Serie ist interessant und unterhaltsam und kann mit internationalen Produktionen mithalten. Aber Nele nervt. Man möchte Gianni zuschreien, dass er überall eine Nettere findet als die. Aber für den Abgang ist er wohl zu feige. Die Familie von Monika wird etwas gar zu bünzlig dargestellt, dafür sind Anton und Clara phantastisch. Man kann nur hoffen, dass in den nächsten sechs Folgen mehr von den beiden und weniger von Nele zu sehen ist.  

Altered Carbon

Kreiert von Laeta Kalogridis, mit Joel Kinnaman, James Purefoy, Martha Higareda , Dauer 10 Episoden à 46–66 minuten, Sender Netflix 

Von Murièle Weber (FRAME)

Im 26. Jahrhundert sind die Menschen Götter. Durch eine neue Technik kann das Bewusstsein eines Einzelnen in immer neue Körper transferiert werden. Wer es sich leisten kann, wird unsterblich. Der ehemalige Freiheitskämpfer Takeshi Kovacs, halb Japaner, halb Osteuropäer, bekommt 250 Jahre nach seinem Tod den Körper eines Weissen, damit er einen Mordanschlag auf den mächtigen Laurens Bancroft aufklären kann. Dafür muss Kovacs seine Prinzipien verraten, indem er sich zum Eigentum eines jener mächtigen Männer machen lässt, die ewig leben und die Kovacs vor seinem Tod bekämpft hat. 

Das ist nur einer der komplexen Handlungsstränge dieser Serie. Wer nicht von der ersten Minute an aufmerksam ist, verpasst Informationen, die erst mehrere Folgen ­später relevant werden. 

1982 hatte Ridley Scott mit dem Spielfilm «Blade Runner» ein neues Genre begründet: Future Noir. Darin wurden Elemente des Film Noir – der abgebrühte Detektiv, die Femme fatale, die düstere Stadt, die dystopischen Zustände – mit Bestandteilen der Science-Fiction verbunden – die Gesellschaft in der Zukunft, neue technische ­Errungenschaften, der Aufbau einer neu durchdachten Gesellschaft.

«Altered Carbon» sieht sich in dieser Tradition, zieht aber auch Inspiration aus unzähligen weiteren Science-Fiction-Filmen wie «The Fifth Element» oder Büchern wie jenen von William Gibson, der das Genre des Cyperpunks begründet hat. 

Wenn der Mensch unsterblich ist, verliert der Tod seinen Schrecken. Das hat Folgen. Ob man sein ungehorsames Kind zu Tode prügelt oder eine Prostituierte beim Sex ersticht, solange man den Toten neue Körper kauft, kommt man ungestraft davon. ­Gewalt ist deshalb in dieser Welt in ihren brutalsten Formen allgegenwärtig.Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt Zugang zu einer Welt mit vielen interessanten Figuren und einer unterhaltsamen Mördersuche, gespickt mit philosophischen Fragen über das Leben nach dem Tod, den Wert des Lebens an sich, über Identität und Moral.