
Der Film «Seeing Allred» porträtiert die bekannten Frauenrechtlerin Gloria Allred und schwierigen jahrzehntelangen Kampf.
Von Murièle Weber (NZZ am Sonntag)
Gloria Allred (*1941) hat früh verstanden, dass man als Frau nicht weiterkommt, wenn man einfach nur nett ist. Die berühmte US-Frauenrechtlerin und Anwältin weiss, dass man laut und bestimmt sein muss, präsent in den Medien, und keinen Kampf scheuen darf. Ihre eigene absolute Hingabe für gesellschaftlichen Wandel erwartete sie auch von allen anderen Frauen, was oft zu Unverständnis und Kritik führte. Seit den 1970er hat sie zahlreiche prominente und kontroverse Fälle in den USA vor Gericht vertreten und sich dabei auch für andere Minderheiten starkgemacht.
Sie stellte sich auf die Seite der vom Komiker Bill Cosby vergewaltigten Frauen, sie bekämpfte Trump, als er eine Transfrau von einem Schönheitswettbewerb ausschloss, und sie organisierte Demonstrationen, um Spielzeug geschlechtsneutral zu vermarkten.
So freimütig die 76-Jährige über ihre Kämpfe spricht, so verschlossen ist sie, wenn es um ihr Privatleben geht. Sie erzählt freimütig von ihrer Vergewaltigung und der illegalen Abtreibung, an der sie fast gestorben wäre, aber sie verweigert die Aussage, wenn es um ihre Scheidung geht oder andere Aspekte ihrer Privatsphäre. Der Film vermittelt den Eindruck, als hätten sie all die Kämpfe einsam gemacht, so als bestünde ihr soziales Umfeld nur aus den gerade aktuellen Klientinnen, bevor sie weiterzieht, zum nächsten Kampf. Viele Hollywoodfilme leben vom Mythos eines einsamen Helden, der sich selbstlos für das Recht der Opfer einsetzt. Zu wissen, dass Gloria Allred aus Fleisch und Blut besteht und sich irgendwo da draussen für uns einsetzt, ist ein beruhigender Gedanke.
Dokumentarfilm «Seeing Allred». USA 2018. Netflix. Von Roberta Grossman, Sophie Sartain. Mit Gloria Allred.

