Von Spider-Man zum Gelähmten

Andrew Garfield 2011 am Comic Con. Bild: flickr

Als agiler Spider-Man wurde Andrew Garfield weltberühmt, in «Breathe» spielt er einen Mann, der gegen seine Kinderlähmung kämpft. Wir haben den Darsteller getroffen.

Von Murièle Weber (Züritipp)

Andrew Garfield will offensichtlich alles richtig machen. «Der Dreh zu ‹Breathe› war eine Herausforderung», erzählt er uns am vergangenen ZFF. Das Team hatte nur sieben Wochen zum Filmen, und Garfield musste die ganze Zeit völlig reglos daliegen. «Aber natürlich bin ich auch sehr dankbar für die Möglichkeiten, die ich bekommen habe», relativiert er sogleich.

Es war bestimmt nicht einfach, Robin Cavendish zu spielen: Der Engländer erkrankte mit 28 Jahren an Kinderlähmung und war vom Hals abwärts gelähmt. Zum Atmen war er auf eine Maschine angewiesen, die seinen Bewegungsradius stark einschränkte. Cavendish aber liess sich nicht behindern und war einer der Ersten, die sich einen Rollstuhl mit Beatmungsmaschine bauen liessen. Damit ging er auf Weltreise. Jetzt hat sein Sohn Jonathan als Produzent das Leben des Vaters auf die Leinwand gebracht, mithilfe seines Freunds Andy Serkis. «Breathe» ist das Regiedebüt des Gollum-Darstellers («The Lord of the Rings»).

Herausfordernd beim Dreh war für Garfield vor allem die Atmung: Diese musste er an den Rhythmus der Beatmungsmaschine anpassen. Aber weil das Teil so viel Lärm machte, stellten es die Filmemacher in den nächsten Raum. «Ich trug dann einen Sender im Ohr, damit ich die Maschine hörte. In den zwei Monaten der Vorbereitung habe ich einen Grossteil der Zeit darauf verwendet, den Rhythmus einzuüben.» Wie war es, den Sohn von Cavendish am Set dabeizuhaben? «Das war hilfreich, aber natürlich auch ein ziemlicher Druck», erzählt er.

Geboren wurde Garfield in Los Angeles, der Vater ein Amerikaner, die Mutter eine Britin – als er drei war, zog Garfields Familie nach England. Angefangen hat der 34-Jährige als Theaterschauspieler, bevor er erste Rollen im Fernsehen bekam. Seinen Durchbruch hatte er in David Finchers «The Social Network» – er spielte Mark Zuckerbergs Weggefährten Eduardo Saverin, war als bester Nebendarsteller für einen Golden Globe nominiert. Einem breiten Publikum bekannt wurde er dank «The Amazing Spider-Man».

Garfield wird selten auf Listen der besten Schauspieler seiner Generation geführt, dabei wurde er schon für alle grossen Filmpreise nominiert und hat mit einigen der Grössten aus der Branche gearbeitet. «Andy Serkis hat es am Set gerne fröhlich und aufgestellt und lässt seinen Schauspielern viel Raum. Martin Scorsese arbeitet sehr akribisch und wollte absolute Ruhe bei den Dreharbeiten zu ‹Silence›, was natürlich auch am Thema das Filmes lag.» Garfield spielte da einen von zwei portugiesischen Pfarrern, die im 17. Jahrhundert heimlich in Japan missionieren. Und wie war es mit Mel Gibson beim Kriegsdrama «Hacksaw Ridge»? «Er arbeitet sehr aus dem Bauch heraus, instinktiv. Oft kann er nicht in Worte fassen, was er genau meint, aber wenn es stimmt, sieht er es sofort.» Garfield brachte die Zusammenarbeit mit Gibson eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller ein.

Vorerst spielt Garfield aber in «Angels in America» am Broadway. Was danach kommt, weiss er noch nicht. «Ich denke, es gibt Zyklen im Leben, und wenn einer abgeschlossen ist, dann beginnt der nächste. Ich bewundere Schauspieler, die sie selber bleiben, wie Mark Ruffalo», sagt Garfield. «Die nächste Geschichte, die ich erzähle, soll etwas ganz anderes sein – vielleicht in einer Fernsehserie.»

Meister der Weltflucht

Steven Spielberg am Comic Con 2017. Bild: flickr

Steven Spielberg liebt das klassische Hollywood und taucht gern in fremde Welten ein. Das Er liebt das klassische Hollywood, hat das moderne Blockbusterkino mitbegründet und taucht gern in fremde Welten ein: Das Xenix widmet Steven Spielberg eine Retrospektive.

Von Murièle Weber (Züritipp)

Mit grossen Augen und aufgerissenem Mund steht ein Dreijähriger in «Close Encounters of the Third Kind» am Fenster und blickt fasziniert auf die Lichter des UFO am Himmel. Die Fokussierung auf das Gesicht vermittelt dem Publikum die Emotionalität der Szene. Sie zeigt aber auch Steven Spielbergs eigene kindliche Faszination mit dem Medium, die er an das Publikum weitergeben will: Das Kino soll die Zuschauer zum Staunen bringen.

Spielberg orientiert sich an der Vergangenheit, an den Dreissiger- bis Fünfzigerjahren. Vor allem die Regisseure John Ford («The Searchers») und David Lean («Lawrence of Arabia») haben es ihm angetan. Wie im klassischen Kino bevorzugt er schön komponierte Bilder und zieht selten die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Kunst des Filmemachens, sondern hilft ihnen in die Filmwelt. Er macht Eskapismusfilme, oft getränkt in Sentimentalität. Diese erzeugt er nicht nur durch die Themenwahl, sondern gern auch mit ebendieser Fokussierung der Kamera auf Gesichter, unterlegt mit pathetischer Musik. Deshalb wird er mitunter Meister der Zuschauermanipulation genannt. Aber bei aller berechtigten Kritik, seine Filme halten, was sie versprechen: eine Flucht aus dem Alltag und das Eintauchen in eine andere Welt. Damit wurde Spielberg, der diesen Dezember 71 wird, zumindest finanziell gesehen, der erfolgreichste Regisseur seiner Generation.

Als Spielberg Ende der Sechzigerjahre seine ersten Schritte machte, brach gerade die Ära des New Hollywood an. Seine Zeitgenossen waren Francis Ford Coppola, Terrence Malick oder John Carpenter. Die meist jungen Regisseure fanden ihre Inspiration in Europa, vor allem in den Filmen der Nouvelle Vague, und sie definierten sich selber als Künstler. Aber während Coppola und Malick diesem Verständnis von Film als Kunst – meistens – treu blieben und Carpenter seine Nische im Genrekino fand, begründete Spielberg die nächste grosse Veränderung in Hollywood: das Blockbusterkino.

«Jaws» (dt. «Der Weisse Hai») war der erste Film, der in den USA 100 Millionen einspielte. Es folgten viele weitere, die Spielberg selber einmal als «fast food movies» bezeichnete, wie die Teile der «Indiana Jones»-Reihe. Zugleich machte er immer wieder anspruchsvollere Filme, die ihm am Herz lagen. Das berühmteste Beispiel hierfür ist das Holocaustdrama «Schindler’s List», aber auch «The Color Purple» gehört dazu, über das harte Leben einer jungen schwarzen Frau (Whoopi Goldberg) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Für seinen nächsten Film, der bei uns im Februar anläuft, blickt Spielberg ebenfalls in die Vergangenheit zurück: «The Post» handelt davon, wie 1971 die «New York Times» und die «Washington Post» Teile der sogenannten Pentagon-Papiere veröffentlichten – und damit aufdeckten, dass die US-Regierung die Bevölkerung in Bezug auf den Vietnamkrieg belogen hatte.